Mentaltraining für Musiker|innen

Lampenfieber vorbeugen – beschwerdefrei musizieren

„Der Zweifel ist der Ursprung jeder bedeutenden, vom Alten abweichenden neuen Möglichkeit. Er erlaubt dem menschlichen Gehirn, einschränkende Denkmuster zu zerschlagen und sich über die Zweckmäßigkeit dessen, was die Vergangenheit es zu sehen gelehrt hat, hinwegzusetzen.“

Beau Lotto: ANDERS SEHEN

Warum Mentaltraining Musizieren so viel schöner macht

Die wesentliche musikalische Arbeit von Instrumentalist|innen und Sänger|innen findet auf mentaler Ebene statt. Bevor und während wir spielen, stellen wir uns unseren Klang, unsere Bewegungen und unsere Tonfolgen vor. Einstudierte Werke können wir innerlich strukturieren, mit Emotionen füllen und in unserer Vorstellung vollständig ablaufen lassen. Je klarer unser innerer Ablaufplan, desto sicherer werden wir in der Ausführung. Aber selten machen wir uns unsere innere Vorstellung vollständig bewusst. Wenn wir an unserem Ausdruck und unserer Technik arbeiten, beziehen wir uns vorwiegend auf den Klang, den wir im Raum hören und versuchen dann unser Endprodukt zu optimieren. Störenden Klänge, unvorteilhafte Bewegungen, Intonationsmängel und unklare Linienführung entstehen jedoch bereits in unserer gedanklichen Vorstellung. Es lohnt sich also, zunächst an dem zu arbeiten, was in uns klingt, bevor wir überhaupt den ersten Ton anstimmen. Es ist erstaunlich, wie viel freier und schöner wir musizieren können, wenn wir uns mentaler Arbeitstechniken bedienen.

Das mentale Üben
bezeichnet die Arbeit am Instrument bzw. an der Stimme durch reine Vorstellungsarbeit, bei der man sein Instrument nicht einmal zur Hand nimmt. Im Leistungssport wird dieser Bereich als ideomotorisches Training bezeichnet und macht insbesondere in körperlich sehr belastenden Sportarten einen großen Teil des Trainings aus. Einen Sprung von der Skisprungschanze kann man nicht fünf Stunden am Tag wiederholen. Also lernt ein Skispringer früh, sich alle Bewegungsabläufe so real wie möglich vorzustellen, um seine wenigen Trainingssprünge perfekt vorzubereiten. Diese Art der mentalen Arbeit kann auch in unserer Arbeit einen großen Teil der täglichen Übungsstunden am Instrument ersetzen. Das hat mehrere Vorteile:

Bei mentalen Übeeinheiten ist die Konzentration viel höher als bei durchschnittlichem „klingendem“ Üben am Instrument oder der Stimme.
Mentales Üben entlastet den Körper. In der inneren Vorstellung können wir körperliche Leichtigkeit und ideale Bewegungsabläufe einstudieren, den Muskeltonus beobachten und uns Bewegungsmuster abgewöhnen, die zu Schmerzen führen.
Mentales Üben ermöglicht das Lernen komplizierter Tonfolgen und sichert komplexe Abläufe ab. Die Abrufbarkeit (Gelingen egal unter welchen Umständen) wird deutlich verbessert.
Mentales Üben ist somit die Basis für beschwerdefreies Musizieren und die beste Vorbeugung vor Lampenfieber und Schmerzen.

Mentale Stärke trainieren
Jedes kognitive Lernen ist immer auch mit emotionalem Lernen gekoppelt. Was bedeutet das für das Musizieren? Es fängt schon beim frühen Lernen unseres Instruments an. Werden wir von unseren Lehrerinnen und Lehrern vorwiegend darauf hingewiesen, wo wir falsch spielen und was wir alles noch nicht können, verbindet unser Gehirn diese negative Erfahrung mit bestimmten Abläufen beim Musizieren. Gerade in der klassischen Instrumental- und Gesangs-Ausbildung ist es das höchste Ziel, einen Text fehlerfrei von Noten abzuspielen, oder einen auswendig gelernten Text mit allen Details der notierten Fassung zu reproduzieren. Diese Art des Musizierens ist unserem Selbstwert nicht zuträglich. Von früh an messen wir uns mit einem Ideal, dem nur das Spiel einiger großer Interpreten gerecht werden kann. In Wettbewerben und Probespielen/ oder -singen liefern wir uns samt unseren innersten Emotionen dem Richtspruch anderer Menschen aus und lassen sie über unser Spiel und damit verbundenes Schicksal entscheiden. Wen wundert es also, wenn viele Musikerinnen und Musiker von Höhenflügen in tiefe Depressionen stürzen, unter Schmerzen leiden oder von Medikamenten abhängig werden?

Die gute Nachricht: wir können uns selber helfen. Wir können lernen, anders zu denken, unsere innere Stimme zu unserer verlässlichen Begleiterin zu machen und mit innerer Stärke und neuem Selbstbewusstsein die Bühne zu betreten. Nicht als Verurteilte sollten wir auf die Bühne gehen, sondern als Auserwählte, deren einziges Ziel es ist, unsere Musik mit anderen zu teilen.